Seit der Veröffentlichung spielt Bitcoin eine prominente Rolle in den Medien. Aber nicht Bitcoin, sondern die zugrundeliegende Technologie Blockchain bietet die Möglichkeit, Branchen innovativ zu verändern. Die dezentrale Struktur der Blockchain eignet sich besonders für die Implementierung von Steuerungs- und Geschäftsprozessen im Energiesektor mithilfe von Smart Contracts und dezentralen Anwendungen.

Der populärste Anwendungsfall ist der Peer-to-Peer-Handel, bei dem verschiedene Szenarien realisiert werden können:

  • Gemeinschafts-Energiemärkte, wie bei Brooklyn Microgrid, in denen Bewohner eines Stadtteils Energie untereinander handeln;
  • Mieterstrom-Plattformen, wie im Key2Energy-Konzept, in denen Mieter Energie direkt vom Wohngebäude zu günstigeren Preisen beziehen können und
  • Ladestationsnetzwerke für Elektrofahrzeuge, wie Share & Charge, das öffentliche und private Ladestationen umfasst.

Andere Projekte zielen darauf ab, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu erhöhen, indem die Produktion oder Nutzung dieser belohnt wird. NRGcoin belohnt den Produzenten erneuerbarer Energie pro kWh, wenn diese der lokalen Nachfrage entspricht. GrünStromJeton überprüft den verwendeten Strommix und belohnt die Verbraucher, wenn erneuerbare Energie bezogen wird. SolarCoin vergütet Solaranlagenbesitzer pro produzierte MWh.

Blockchain-basierte Prepaid-Zähler, die remote mithilfe von Kryptowährungen aufgeladen werden können, wie die Bankymoon-Zähler, sind vor allem für afrikanische Länder interessant, die bereits Prepaid-Zähler einsetzen. Bankymoons Pilotprojekt Usizo konzentriert sich auf afrikanische Schulen. Nutzer weltweit haben die Möglichkeit Kryptowährungen direkt an die Prepaid-Meter der Schulen zu senden und so z.B. Strom für einen Monat zu finanzieren. Blockchain-Crowdfunding, wie bei TheSunExchange, durch welchen Solarzellen gekauft und dann verpachtet werden, könnte die Elektrifizierung ländlicher, wenig industrialisierter Gebiete ohne Zugang zum Stromnetz erleichtern.

Für Netzbetreiber könnten insbesondere Gridchain von PONTON, das die Koordination von DSO und TSO Prozessen erleichtert, und die Zählerregistrierungsplattform von Electron interessant sein. Die dezentrale Datenaustauschplattform von GridSingularity könnte als Basis für alle beschriebenen Anwendungen, vom P2P-Handel bis hin zu Registrierungsplattformen, dienen.

Derzeit sind die fehlende Regulierung durch den Gesetzgeber und Skalierbarkeit die größten Herausforderungen. Weiteres, könnte die steigende Anzahl an Unternehmen, die in diesem Sektor aktiv werden, dazu führen, dass mehrere Blockchains verwendet werden (Segmentierung). Dies könnte zu Interoperabilitäts- und Cyber-Security-Problemen führen. Um Interoperabilität zu gewährleisten, existieren aber bereits z.B. Multi-Chain-Frameworks wie Parity’s Polkadot.

Für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Verteilnetzbetreibern, Übertragungsnetzbetreibern und Regierungen werden Konsortien und Organisationen benötigt. Eine solche gemeinnützige Organisation ist die Energy Web Foundation (EWF), die von GridSingularity und dem Rocky Mountain Institute gegründet wurde. Deren Ziel ist den Einsatz der Blockchain-Technologie im gesamten Energiesektor zu beschleunigen. Neben der Entwicklung einer Open-Source-IT-Infrastruktur, einschließlich der eigenen EWF-Blockchain, werden verschiedene Anwendungsfälle analysiert und zu Proof-of-Concepts und kommerziellen Anwendungen weiterentwickelt. Dabei arbeitet die EWF mit einer Vielzahl von Partnern aus dem Energiesektor, Regulatoren und Normungsgremien zusammen.

Link zum Paper „Blockchain Applications in Microgrids – An overview of current projects and concepts”:http://ieeexplore.ieee.org/document/8217069/

Betreuung: Univ.Ass. Dipl.-Ing. Marcus Meisel Bakk. techn., Energy&IT Group, Institut für Computertechnik, TU Wien, Gußhausstraße 27-29, 1040 Wien, Austria, marcus.meisel@tuwien.ac.at

Autor

Andrija Goranović ist IT-Consultant und Student des Masterstudienganges Embedded Systems an der TU Wien. Aktuell liegt sein Fokus auf der Blockchain-Technologie, insbesondere deren Verwendung im Energiebereich.